Schon in der Schwangerschaft – Frauenärzte raten: Osteoporose lebenslang vorbeugen
Osteoporose ist eine unterschätzte Volkskrankheit: Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört Osteoporose zu den zehn bedeutendsten schweren Erkrankungen weltweit;
allein in Deutschland sind bis zu acht Millionen Menschen betroffen.
Vor allem ist Osteoporose Frauensache: Zu 80 Prozent leiden Frauen unter der systemischen Erkrankung des Skelettapparats, die unerträgliche Schmerzen, jährlich etwa 400.000 Frakturen, meist Schenkelhals- und Wirbelkörperbrüche, sowie Therapiekosten von rund neun Milliarden Euro im Gesundheitssystem verursacht. „Dennoch ist Osteoporose bis heute im Bewusstsein der meisten Menschen nicht angekommen. Aufklärung und öffentliche Wahrnehmung sind gefragt, denn übermäßiger Knochenschwund ist kein Schicksal, sondern eine Erkrankung, der wir in entscheidenden Lebensphasen erfolgreich vorbeugen können“, so Frauenarzt Dr. Jürgen Klinghammer, Vorstandsvorsitzender der Ärzteorganisation GenoGyn.
Osteoporose-Prophylaxe beim Frauenarzt? „Das klingt zunächst vielleicht ungewöhnlich, ist aber medizinisch sinnvoll, denn Orthopäden sehen die Patientinnen in der Regel frühestens, wenn Beschwerden oder sogar erst, wenn Frakturen eingetreten sind. Die für die Primärprävention der Osteoporose entscheidenden Lebensabschnitte begleitet dagegen der Frauenarzt“, sagt Dr. Klinghammer. So wird die Knochendichte etwa bis zum 30. Lebensjahr aufgebaut. Nach einer Balance zwischen Knochenaufbau und -abbau überwiegt ab 40 der kontinuierliche Rückgang der Skelettmasse. Wer eine maximale Ausgangslage erreicht hat, kann den teilweise unvermeidbaren Abbau im späteren Leben besser verkraften.
Genau hier setzt Primärprävention an – und zwar bereits in Schwangerschaft und Stillzeit. „Über die fetale Programmierung betrifft ein Kalziummangel der werdenden Mutter auch den Fötus, denn der Organismus des ungeborenen Kindes benötigt ausreichend Kalzium und Vitamin D für den Skelettaufbau“, sagt der Kölner Frauenarzt. Besonders für vegan lebende Schwangere und Veganerinnen in der Stillzeit sei unter anderem eine reduzierte Kalziumaufnahme für den kindlichen Knochenaufbau problematisch.
In der Pubertät wird die Knochengesundheit häufig durch Essstörungen, starkes Unter- und Übergewicht, aber auch extremen Leistungssport gefährdet. Ebenfalls sollte in dieser Altergruppe über Kalziumräuber wie Fast Food oder phosphatreiche Erfrischungsgetränke aufgeklärt werden.
Nach den Wechseljahren leidet jede dritte Frau unter Osteoporose, jenseits der 70 ist jede Zweite betroffen. Hauptursache ist der Abfall des Östrogenspiegels. Die Frauenärzte der GenoGyn raten deshalb ab 40 Jahren zu einem Risiko-Screening mit einer ausführlichen Erhebung der Krankengeschichte, einer Blutuntersuchung und der sogenannten DXA-Knochendichtemessung als Goldstandard der Diagnose. „So können wir unsere Patientinnen, die bereits vor den Wechseljahren eine Osteopenie, also eine unterdurchschnittliche Knochendichte aufweisen, identifizieren und ihnen eine angemessene interdisziplinäre Therapie zukommen lassen“, sagt der GenoGyn-Vorstandsvorsitzende. Heute werden weniger als ein Viertel aller Osteoporose-Erkrankungen frühzeitig erkannt und adäquat behandelt.
Hormonmangel ist die häufigste Ursache für eine Osteoporose, aber auch andere Erkrankungen oder deren Behandlung mit bestimmten Medikamenten können eine sogenannte sekundäre Osteoporose verursachen. Dazu zählen chronische Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, Magersucht, Schilddrüsendysfunktion, rheumatisch-entzündlichen Erkrankungen, die häufig mit Kortison behandelt werden, das zu einer Abnahme der Knochendichte führt. Auch Antidepressiva, Antiepileptika, Zytostatika und Aromatasehemmer aus der Tumortherapie sowie Immunsupressiva, die etwa nach Organtransplantationen eingesetzt werden, wirken knochenschädigend.
Zu den bekannten Risikofaktoren für Osteoporose gehören Alter, Geschlecht, Veranlagung (Genetik) und ein ungesunder Lebensstil mit falscher Ernährung (Unter- und Übergewicht), Bewegungsmangel und Alkohol- sowie Nikotinkonsum.
Prävention und personalisierte Therapie der Osteoporose beinhalten immer eine knochenstarke Ernährung mit ausreichend Kalzium, Vitamin D und regelmäßige Bewegung mit Kraft- und Ausdauertraining. Ist die Erkrankung bereits fortgeschritten, werden bei der medikamentösen Behandlung heute überwiegend sogenannte Bisphosphonate verordnet.
„Lebenslange Prävention ist wichtiger denn je“, mahnt GenoGyn-Vorstand Dr. Jürgen Klinghammer. „Aufgrund der demographischen Entwicklung rechnen Experten, besonders in reichen Industrienationen, mit einer weiter wachsenden Zahl von Osteoporosepatienten und bis 2025 mit jährlichen Therapiekosten in Deutschland von rund elf Milliarden Euro. Wir brauchen gesellschaftliches Gehör für eine effektive Primärprävention der Osteoporose, wie sie auch und vor allem durch den Gynäkologen geleistet werden kann, denn unsere Patientinnen repräsentieren die größte Risikogruppe, die sich nahezu in jedem Lebensalter regelmäßig in unseren Praxen einstellt.“ Osteoporose ist deshalb auch Standardthema auf den Präventionsfortbildungen der GenoGyn für Frauenärzte (www.genogyn.de).
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